Ticino Run - 17. / 18. September 2011
Bericht von Caspar / Bilder von Charly
Wie immer bei Ausfahrten und Touren gewinnt man neue Erkenntnisse und neue Eindrücke. Zum Beispiel waren die Wettervorhersagen nicht gerade ermutigend. Gut, dass sich das Wetter nicht immer an die Vorhersagen hält. Soviel vorne weg: Loida und ich verliessen unser zu Hause bei trockenen Strassen und bei trockenen Strassen sind wir zurückgekehrt.
Aber bleiben wir noch bei den Erkenntnissen. Zum Beispiel, dass es auch bei den Ticinesis einen harten Kern gibt. Oder, dass der Glückwunsch unter Bikern "... und immer eine Handbreit Asphalt unter den Rädern", schon seine Berechtigung hat. Oder auch diese Erkenntnis, dass es schon seine Berechtigung hat, zusammenzubleiben, wenn man als Gruppe unterwegs ist. Klar schon mal gehört. Aber muss man denn immer gleich alles glauben? Oder, dass die Rennleiter / Ordnungshüter im Süden doch grosszügiger sind. Aber alles der Reihe nach. Wenn wir es genau nehmen wollen, beginnt die Teilnahme am diesjährigen Ticino Run mental bereits eine Woche im voraus. Wettercheck. Vorhersage ist schlecht, sehr schlecht sogar: Gewitter während des ganzen Wochenendes. Allerdings wird der Samstag besser, je näher die Veranstaltung rückt. Also versuchen wir uns schon mal drauf einzustellen. In Gedanken durchzugehen, was es bedeuten wird, bereits bei Abreise den Regenschutz zu montieren. Fahren bei Regen - kühl im Herbst, klamme Finger, feuchte Kleidung, welche vom Samstag auf den Sonntag nicht trocknen wird und am Sonntag wieder in die gleiche Rüstung. Warum man sich auf sowas einlässt? Nun, unsere Tessiner Freunde sind immer für Überraschungen gut, einerseits was die Ausfahrten anbelangt und andererseits kulinarisch. Und: ist man ein Weichei und kneift oder will man sich was beweisen und geht hin - das ist hier des Pudels Kern. Also mentale Vorarbeit, abwägen. Hatte ich nicht doch schon was anderes vor? Hmm, eigentlich haben wir uns schon seit Monaten gefragt, ob es dieses Jahr wieder einen Run geben wird. Immerhin war das Ticino Chapter schon mit der Durchführung der "Swiss Harley Days" im Juli in Lugano beschäftigt. Da noch einen Run drauf zupacken, ist nicht selbstverständlich. Die Ansage kam dann relativ spät und ziemlich vage. So lange drauf gewartet, da musst Du hin. Ausreden ziehen nicht. Was also soll's: drauf einstellen, im Regen und Gewitter zu fahren, Zähne zusammenbeissen und auf den Abend freuen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht gewusst hätten, worauf wir uns da einlassen. Die Anreise zum 10-jährigen Bestehen des Ticino Chapters vor 2 Jahren anfangs Juni war uns noch in allzu guter Erinnerung, als in 24 Stunden soviel Wasser vom Himmel fiel, wie sonst im ganzen Monat. Was soll's, wir haben zugesagt und kneifen gilt nicht. Nur Rolf fehlt. Er hat wohl noch genug vom letzten Mal...!
Es ist Samstag morgens um 6 Uhr Tag-wach. Letzter Wettercheck im Internet und im Garten. Wetter verheissungsvoll. Gut, dass das Wetter nicht fern sieht. Statt 7 Uhr wird's viertelab bis endlich der Motor brummt. Los jetzt. Wird knapp mit 7:45 beim Treffpunkt Wolfssprung. Es ist trocken und die Gummis bald auf Betriebstemperatur. Charly meinte noch vor ein paar Tagen, es könnte zu Staus am Axen kommen, wegen Strassenarbeiten in Luzern am Cityring. Bin mal gespannt. Mal schauen wie's auf der Autobahn Seewen - Brunnen aussieht. Schon von weitem sehe ich - nichts. Keinen Verkehr, kein Stau, kaum mal ein Auto. Schon sind wir auf der Einfahrt. Vollgas! Und auch weiterhin keinen Verkehr. 7:40 treffen wir ein. Alle sind schon da - jedenfalls diejenigen, welche zugesagt haben. Offenbar hat die Freude über das viel bessere Wetter verglichen mit der Vorhersage alle beflügelt. Nach kurzer Begrüssung und Abstimmung aller Wünsche für die nächsten 200 km geht's los. Natürlich mit möglichst wenig Autobahn bei diesem Wetter und über den Gotthard. Temperatur ist angenehm. Altdorf umfahren wir via Autobahn - das einzige Stück für heute. Ab Erstfeld wieder Hauptstrasse via Amsteg, Gurtnellen, Göschenen, Andermatt. Ich hab ja gleich gemerkt, dass dem Krüttli seine Bütti nicht so mag, wie er will. Später beim Kafihalt wird mir Remo versichern, dass er schon hätte wollen, aber leider nicht können. Vorbei an Hospenthal und hoch den Pass. Hoppla, da ist ja plötzlich noch ein Töff. Nicht lange und er zieht an mir vorbei. GR, wie grrrr, Bündner, Street Glide. Also wenn ich jetzt alleine wäre. Gut, der Peter zieht mit. Bleibt immer dicht dran. Aber der Remo... Naja, muss den Bündner mit seiner Street Glide unverrichteter Dinge ziehen lassen. Hätte ihm nur zu gern gezeigt, wo der Fatbob den Most lässt - oder so ähnlich. Aber als gegenwärtiger Road Captain muss man einen kühlen Kopf bewahren und sich auch um die hinteren Ränge kümmern. Also, Verantwortung zeigen, ist das Gebot der Stunden. Die Street Glide auch bald vergessen. Oben auf dem Gotthard Pass seh ich den blauen Himmel, Loida jedoch die schwarzen Wolken. Gut, es hat welche. Aber blauer Himmel! Himmelnochmal. Auch die Vorhersage um 6 Uhr hatte keinen blauen Himmel bereit. Und nun doch noch richtig blauen Himmel. Ein Flecken zwar nur, habe ihn aber sofort erspäht.
Runter geht's nun bis zur Kurve mit Parkplatz und Aussicht. Da hat's nämlich eine Beiz. Kafi- und andere Pausen. Die heisse Schokolade ist empfehlenswert und die Gipfeli sind es auch, obwohl einigen gerade sind. Wie heisst ein grades Gipfeli eigentlich? 9.20. Nein, nicht die Uhrzeit, sondern die Summe, die jedes Paar zu bezahlen hat. Jedes? Nein, nicht jedes. So einfach ist es dann doch nicht. Der Peter muss mal wieder aus der Reihe tanzen. 10 Fr. ist seine Rechnung. Auf geht's. Der Himmel ist bereits wieder grau und wird noch gräuer. Maya meint noch, dass es nun endgültig mit der Sonne vorbei wäre. Wir schwingen uns in die Sättel. Es beginnt zu nieseln. Nach 2-3 km hört es jedoch wieder auf. Noch eineinhalb Stunden bis zum Händler. Wir fahren auf der Hauptstrasse durch Ambri, Faido, Giornico und wie all die Käffer heissen. In Biasca geht's dann rechts Richtung Iragna. Die Nebenstrassen auf der rechten Talseite kenn ich seit meiner Kindheit. Da fahr ich am liebsten entlang. Es wird definitiv wärmer. Auf Höhe Bellinzona ist der Himmel zwar noch mit Gewölk verdeckt, aber die Sonne wird spürbar stärker. Den Nebenstrassen folgend geht's bis Gudo und da gleich links. Ein Schleichweg, den nur Einheimische kennen - und Navis. Vor uns ein Appezöller Innerrödler. Hat der ein Navi, oder kennt er sich hier etwa aus? Ich tipp mal auf Navi. Jetzt geht's den Ceneri rauf. Ups, Gas weg! Da fehlt doch wer. Kurzer Blick in den Rückspiegel. Peter immer noch da. Dann die Lücke kaum geht's in bisschen bergauf. Wo ist denn Remo schon wieder? Motorschaden, Unfall, oder muss er einfach mal? Langsam mach ich mir Sorgen. Gas weg. Falle fast hin, so langsam fahr ich. "Fast" hab ich gesagt. Da! Ein Punkt im linken Rückspiegel, kommt langsam näher. Langsam. Peter ist rechts. Das ist doch... Endlich, Remo kommt. Hab mir schon überlegt, ob ich meinen Bock schieben soll. Aber wir schaffen es auf den Monte Ceneri. Von da an geht's nur runter. Super! Wir werden zeitig am Etappenziel eintreffen. Taverne. Noch ein paar Kilometer und wir treffen beim Händler ein.
Der Himmel ist nicht ganz wolkenlos, aber die Sonne zeigt sich. Es ist heiss geworden. Jeder sucht ein Plätzchen im Schatten. Tenue-Erleichterung ist angesagt. Ein Apéro ist bereit und - Bier. Endlich kann ich entspannen. Road Captain, Verantwortung, alles fällt ab. Schlürf - ein Bier. Und noch eins, weil's so gut schmeckt. Whao, der Salami schmeckt ausgezeichnet. Ebenso all die anderen Häppchen. Mal richtig zulangen. Immer den Remo im Rückspiegel suchen, macht hungrig... Charly ist schon da. Ist früher abgefahren und hat einen Service verpasst bekommen. Sein Töff natürlich!
Selbstverständlich nehmen wir die Accessoirs beim Händler unter die Lupe. Gehört halt einfach dazu. Schliesslich muss man wissen, was gerade angesagt ist, oder was noch in der eigenen Sammlung fehlt. Wir hängen rum. Immer wieder treffen Members vom Ticino Chapter ein. He! Da ist ja diese Street Glide wieder. Grrrr. Interessant, was da alles an Mopeds rumsteht. Ich glaub, da ist wirklich keiner gleich wie der andere. Und die Tessiner haben einfach die lauteren Töpfe. Fällt mir jedes mal wieder auf. Wie machen die das mit der MFK? (Hab doch glatt vergessen, mal danach zu fragen. Muss mir das für's nächste Mal merken.)
Schon ist es 13 Uhr. "Dieci minuti di partire" oder so ähnlich ruft Uwe. Es geht also gleich los. Die Ausfahrt steht bevor. Geplant ist eine Rundfahrt via Monte Ceneri - da kommen wir grad her - linkes Ufer am Lago Maggiore entlang bis Luino. Dann links in die Hügel und via Ponte Tresa nach Caslano zur Fabrik von Alprose mit Schokolade Museum. Super Sache und eine schöne Route. Macht richtig Spass, sich von Einheimischen all die Schleichwege zeigen zu lassen. Die Blocker verstehen ihren Job. Ich muss unwillkürlich grinsen. Da wird ein Kreisel geblockt und kurz darauf braust einer haarscharf links an mir vorbei. Ich hör sie jedesmal kommen. Rums! Wieder einer donnert an mir vorbei. Ja, ja, die Töpfe. Ich glaub, die Rennleitung im Süden ist schwerhörig. Auf jeden Fall ist sie ungleich viel schwerhöriger, als jene Rennleitung im Norden. 2, 3 Mal sag ich zu Loide via Intercom, dass ich gespannt bin, was jetzt gleich passieren wird. Warum? Na, wegen dem Blocken und die Rennleitung, die in der Nähe ist. Aber nie passiert was. Auch die Bullen haben Freude daran, uns vorbeifahren zu sehen und zu hören. Die Tour führt ein Stück über Italien. Da, eine Baustelle und Rotlicht. Die blocken tatsächlich auch hier in Italien. Ein Polizeiauto steht mitten in der Kolonne der geblockten Wartenden. Wenn das nicht gleich Haue gibt. Aber nein, auch hier passiert nichts. Cool. Weiter geht's. Links, rechts, rauf und runter. Gut, dass man auf einem Töff nicht seekrank werden kann. Hab ich mal irgendwo gehört oder gelesen. Mir macht's nichts aus und Loida beklagt sich auch nicht. Jetzt geht's wieder in die Schweiz rein. Und da passiert es: mit steinerner Miene hält der Zöllner unseren Tross an. Will der jetzt alle 30-40 Leute kontrollieren? Der Road Captain hält an. Wortwechsel. Bin doch etwas irritiert. Aber dann ist plötzlich ein breites Grinsen im Gesicht des Zöllners und er winkt uns durch. Ein Spässchen mal anders rum. Hier im Süden ticken einige Uhren definitiv anders.
Caslano, Schoggifabrik. Zwischenhalt und Besichtigung. Bis hierher hat das Wetter gehalten. An einigen Orten war der Himmel wirklich dunkel bis schwarz, aber immer in die andere Richtung, als wir fuhren. Rolf ist leider nicht dabei. Aber ich hör ihn trotzdem recht deutlich sagen: "Siehst Du, es regnet nicht, weil Du nicht der Road Captain bist". Ich muss grinsen. Allerdings macht's jetzt richtig zu. Hoffentlich hält das Wetter noch eine Weile. Auf dem kurzen Weg in die Schoggifabrik nehmen wir unsere Sachen mit und deponieren sie irgendwo unter dem Dach. Die Helme lassen die meisten beim Töff - wetterfest montiert. Was soll ich sagen. Seit der Abfahrt beim Händler rumorte es in meinen Gedärmen. Gut, dass es hier bei Alprose Toiletten hat. Hatte fest damit gerechnet. Als ich mit meinem Geschäft fertig bin, sind es die anderen mit ihrer Besichtigung auch. Ich geh noch schnell was degustieren. An der Kasse sind Tüten mit allerlei Schokolade vorbereitet. Jeder mit orangem Armband bekommt eine. Es beginnt zu winden. "cinque minuti e poi piove" sagt mir der eine. In 5 Minuten soll's regnen. Bloss nicht! He, Charly, lass uns ins Hotel verschwinden. Eigentlich gäbe es einen zweiten Teil der Ausfahrt. Via Melide und so. Ich höre gar nicht so genau hin, bei der Erklärung des zweiten Routenabschnitts. Wenn's jetzt den grad zu regnen beginnen soll, kann mir der zweite Teil sonst wo und sonst was. Ein kurzes Nickerchen (neudeutsch: Powernap) mag ich mir schon gönnen, bevor es mit Nachtessen und einer wilden Party am Abend weitergehen soll. Wir Horses (kurz für Horsemountain Chapter Member) sind uns schnell einig und ziehen die Variante Hotel vor. Ebenso das Gros der Ticinesi zieht es angesichts der aktuellen Lage vor, wenn möglich noch trocken nach Hause zu kommen. Die typische Motorradbekleidung im Tessin besteht aus T-Shirt und Jeans. Einige haben doch noch richtige Stiefel und ein paar sogar Handschuhe an. Die leichte Bekleidung ist angesichts der herrschenden Temperaturen durchaus verständlich. Einfach nicht hinfallen. Denn dann tut's weh.
Wir schaffen es gerade noch bis ins Hotel. Ristorante Stazione heisst die gute Stube und ist nur gerade mal eben einen Steinwurf vom Ort unseres Nachtessens entfernt. Es beginnt zu regnen. Schnell die nötigen Sachen packen, die Mopeds abschliessen und unter's Dach rennen. Ich leg mich hin und die Augen fallen mir zu. War ein langer Tag auf dem Bock. So gegen 300 km werden's wohl gewesen sein. Party ist heute Abend angesagt und kurz von 19 Uhr machen wir uns auf den Weg. Ist ja gleich um die Ecke. Eine Band spielt vertraute Stücke. Country ist angesagt. Erst gibt's ein reichhaltiges Buffet. Erst denke ich, dass es bei diesem Buffet bleiben wird und vergesse ganz, was ich auf der Einladung gelesen hatte. Naja, es kam dann noch der Vorgang und Hauptgang und ... es hat einfach nicht mehr alles Platz. Trotzdem, auf den Dessert verzichten? Auf gar keinen Fall. Wenn ich so in die Runde schaue, haben wohl alle den Kanal voll. War wirklich gut - ausgezeichnet. Zwischendurch immer wieder angeregte Gespräche. Einige der Ticinesi sprechen Deutsch. Einige sogar Schwiizertüütsch. Ich weiss gar nicht mehr wie spät es ist. Irgendwann gehen wir Richtung Hotel zurück.
Am Morgen heisst es zügig aufstehen. 8:30 gibt's Frühstück. Draussen sieht es gar nicht gut aus. Nachdem die Mägen auf's Neue gefüllt und die Rechnungen bezahlt sind, geht's los. Wir ziehen alle unsere Schläuche an. Aber wie das so ist: hat man sich mit viel Mühe die Regenklamotten übergezogen, benötigt man sie nicht. Obwohl es aussieht, als ob es gleich in Kübeln giessen wird, tut sich von oben nichts. Auch gut. Wie abgemacht, treffen wir uns mit den Ticinesi an der AGIP Tankstelle. He, es kommen immerhin deren 7! Hätt' ich gar nicht gedacht, dass bei den aktuellen Aussichten hier im Süden jemand in aller Herrgotts frühe um 10 Uhr voll parat für eine Ausfahrt ist. Hardcore!
Wir machen uns auf den Weg. Uwe führt uns an. Geblockt wird, grad so wie es kommt. Da alle Erfahrung damit haben, funktioniert die Sache wie am Schnürchen. Monte Ceneri, Bellinzona, Biasca - die markanten Wegpunkte. Irgendwann nach Biasca fängt es dann doch noch zu regnen an. War's in Faido? Weiss es nicht mehr. Bei Regen treffen wir in Airolo ein und Uwe führt uns schnurstracks in ein Restaurant. Nach etwa 2 Anläufen wissen wir, dass wir doch was zu Mittag essen wollen. Platz hat's. Ist sehr nett von unseren Tessiner Kollegen begleitet zu werden. Angeregte Gespräche während des Mittagessens. Remo auf Tüütsch und der andere - ein Bergamaske - auf italienisch. Was hat er gesagt? Cosa ha detto? Und so geht's hin und her. Es schüttet draussen. Aber durch's Loch? Nein, besser über den Pass. Peter ruft mal im Hospitz an. Regen bei 5 Grad. Das passt. Besser als Abgase schnüffeln. Wir lassen es ruhig angehen mit dem Abmarsch. Schnee wird dort oben auf dem Pass wohl erst gegen Abend fallen - wenn überhaupt.
So gegen 14 Uhr grollen wir davon. Unsere südlichen Kollegen nach Süden, wir den Pass hoch. Jetzt stürmt es. Heftig! Unwillkürlich drücke ich die Schenkel zusammen. Nicht, dass es mich noch vom Bock fegt. Wir machen Höhe. Kaum aus der Galerie, kurz vor dem Pass, beginnt es zu graupeln. Trotzdem fahren wir weiter. Auf Höhe Hospitz kommen uns Autos entgegen und hupen. Wir winken zurück. Die halten uns wohl für die ganz Harten. Allerdings beginnt der Schnee sich auf der Fahrbahn festzusetzen. Herje! Das ist gar nicht gut. Mir kommt Ernst, der Fahrlehrer in den Sinn, als er beim letzten Training Anweisungen gab: sollte jemand auf den Gleitbelag gelangen. Fahrgestell ausfahren! Das tut jetzt jeder von uns. Beine runter und nach aussen strecken. Nur sachte bremsen. Heiliger Bimbam! Jetzt sind es sicher schon ein paar Zentimeter Schnee. Mist! Die Schneeketten schon wieder vergessen! Eigentlich ist jetzt keinem mehr zum Lachen zu mute. Ich glaube eher, dass da einige Hosen nun etwas schwerer sind. Nur ins Tal hinunter. Dorthin, wo's wieder aper wird. Alle Kollegen haben angehalten. Aber ich will hier nicht halten. Bloss weg! Die kommen dann schon noch. Ich will im Schnee gar nicht anhalten. Kaum zieht man an der Bremse, beginnt die Rutschpartie. Irgendwann liegt einfach zu viel Schnee auf der Strasse. Richtung Andermatt wird es Winter. Als der Bock endlich steht, sehen wir die anderen nicht mehr. Loida meint: die haben gewendet. Gewendet? Wie zum Teufel will man hier wenden? Da kommt mir die Idee. Loida steigt gaaanz sachte vom Töff und ich klapp den Ständer raus. Ja, so geht's! Nicht ganz rum, aber doch fast. Nun den Ständer wieder einklappen, sonst startet der Motor nicht. Gaaanz vorsichtig anfahren. Nur nicht zu viel Gas. Sachte, sachte setzt sich meine Kiste in Gang. Bergauf ist es wesentlich angenehmer. Vorsichtig gleitet Loida wieder auf ihren Platz. Und ebenso vorsichtig fahre ich an. Es geht! Also wieder bergauf.
Andere Töffs stehen am Strassenrand. Die machen keinen Millimeter mehr. Aber eben - Harley. Nur nicht übermütig werden. Volle Konzentration. Spiel mit der Kupplung. Ganz, ganz, sachte. Schon sind wir wieder auf dem Pass. Jetzt noch bis zur Galerie. Mittlerweile ist ein Schneepflug vorbei. Ich versuche, in seiner Spur zu bleiben. Nur ist diese auf der linken Fahrbahn. Also quetsch ich mich an den entgegenkommenden Autos vorbei. Meter um Meter. Es gelingt mir, mich etwas zu entspannen. Noch 100m bis zur Galerie. Jetzt bloss nicht schlappmachen, bloss keinen Fehler! 50m. Da kommt einer mit einer GS aus der Galerie. Ich mach ihm Zeichen, dass er umkehren soll. Puh! Wieder festen Boden unter den Rädern. Da sind wir ja nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Nun also doch noch durch Röhre. Wo sind wohl die anderen Kollegen? Sind wohl die alte Strasse entlang? Ich fahr bis Amsteg auf der Autobahn und ruf Charly an. Aha, in Wassen in jenem Spunten, wo wir meistens nach einer Ausfahrt noch einkehren. Also zurück nach Wassen. Schön, dass alle wieder unbeschadet beieinander sind. Ist ja klar, was jetzt kommt. Remo lässt mich schon gar nicht erst mal Luft holen. Was gesagt sein muss, muss gesagt sein. Standpauke. Man verlässt die Gruppe nicht! Yep, wo er recht hat, hat er recht. Leuchtet nun auch mir ein. Werde versuchen, mich zu bessern - ehrlich Remo. Zufrieden? Remo besteht darauf, dass ich diesen Punkt im Bericht festhalten soll. Sonst wird es ein Kommentar geben, meint Remo. Ja, ja, scho guet. Hab's kapiert. Aber jetzt muss ich mal dringend...!
Ein warmes Getränk später machen wir uns wieder auf den Weg. Ein Pause nach dem eben erlebten, hat gut getan. Mal kurz runterkommen. Die Tschüss-Runde ist dann bei der Tankstelle beim Kreisel in Flüelen. Kaum Verkehr. Wir kommen auf dem Axen gut voran. In Brunnen das kurze Stück auf der Autobahn. Röbi, Babs, Remo und Maya seilen sich ab. Und tschüss. In Sattel schwenkt nun auch Charly in Richtung Aegeri ab und in Schindellegi als Letzter noch Peter mit einem kurzen Druck auf die Hupe verabschieden. Ich lass es Richtung Wollerau den Berg hinunter rollen. Schönes saftiges grün auf den Wiesen. Wer würde schon glauben, dass wir von gut 2 Stunden auf dem Gotthard oben waren - im Schnee? War schon ein Abenteuer dieser Ticino-Run. Beim letzten Ticino-Run hatt's gegossen wie aus Kübeln. Dieses Mal kam zum Regen noch Schnee. Nächstes Mal... ich mag diesen Gedanken gar nicht weiterverfolgen.
Während ich in Gedanken die vergangenen Stunden passieren lasse, fällt mir ein, dass wir uns ja erst gestern auf den Weg in den Süden gemacht hatten. Wieder mal viel erlebt an diesem Wochenende.